Maximilian Funke-Kaiser

Erklärung zur Abstimmung zur Impfpflicht

Die Debatte um eine Impfpflicht, egal in welcher Ausgestaltung, ist hochemotional und viele Bürgerinnen und Bürger wenden sich mit ihren Sorgen an uns. In manchen Punkten, so muss man deutlich sagen, geht die Debatte und die Argumentation manches Mal in eine falsche Richtung. Ich finde es falsch und es darf uns nicht darum gehen, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen. Egal ob Geimpfte oder Ungeimpfte - jede und jeder verdient einen vernünftigen Umgang und zwar von allen Seiten. Nicht diejenigen haben die besten Argumente, die anfeinden, beleidigen und bedrohen. Und nicht diejenigen, die andere als „Schwurbler“ oder „Leugner“ diffamieren, tragen die letzte Weisheit bei sich. Die Hitze der Debatte zeigt, dass wir mit bestimmten Maßnahmen nicht zwingend die Spaltung unserer Gesellschaft heilen, sondern sie unter Umständen sogar verstärken könnten. Wir haben es leider zugelassen, dass die Impfung politisiert wurde. Ich würde mir wünschen, dass wir mit einem klaren Blick nach vorne schauen und sich an der Debattenkultur in unserem Land etwas ändert. Die Radikalisierung von Debatten, und das gilt nicht nur für die Impfpflicht-Debatte, sollte uns aufhorchen lassen. Meinungen verdienen Respekt, auch wenn sie einem nicht passen und die eigene Auffassung oder Ideologie tangieren.   

Einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht stand ich seit jeher positiv gegenüber. Auch bei Corona. Eine andere Ausgestaltung der Impfpflicht ist deutlich weitreichender. Persönlich lehne ich eine allgemeine oder altersbezogene Impfpflicht ab.   

Für die aktuelle Situation ist sie aus meiner Sicht nicht zielführend und trägt nicht zur Beendigung der Lage bei. Alleine schon die Erfahrungen aus Österreich haben gezeigt, dass eine Impfpflicht nicht zur Eindämmung der Pandemie beiträgt. Gleichzeitig sehen wir, nicht erst seit aber insbesondere durch Omikron, dass eine Impfung mit den zur Verfügung stehenden Impfstoffen gerade nicht vor einer Infektion schützt. Es zeigt aber auch, und das ist wichtig, dass die Impfung einen guten Selbstschutz vor einem schweren Krankheitsverlauf gibt.   

Wir sehen, dass immer mehr Menschen erkrankt sind, das ist richtig. Für mich ist aber der ausschlaggebende Punkt, dass die Intensivbettenbelegung sinkt. Wir haben in Bayern eine konstante bzw. auch sinkende Belegung der Intensivbetten trotz zunächst massiv gestiegenen Inzidenzen. Eine Auslastung unseres Gesundheitssystems ist nicht gegeben und es wäre falsch, eine Impfpflicht anhand etwaiger möglicher Pandemieverläufe im Herbst und Winter zu begründen. Über den möglichen Verlauf gibt es zudem verschiedene Annahmen. Viele gehen von einem endemischen Verlauf aus. Andere gehen vom schlechtesten Fall, also von weiteren Varianten aus. Richtig, dass alle Meinungen einfließen müssen in die Entscheidung.  Aber ein solcher Grundrechtseingriff braucht eine solidere Basis, um den strengen Anforderungen unseres Grundgesetzes gerecht zu werden.   

Gleichzeitig wissen wir auch noch nicht, wie viele Folgeimpfungen notwendig sind, um zu einer nachhaltigen Immunität zu kommen, geschweige denn, ob wir diese überhaupt erhalten. Solange wir das nicht wissen, kann die Politik, meiner Meinung nach, keine Impfpflicht einführen, die so eine große Grundrechtseinschränkung bedeutet.   

Ich bin absolut dabei, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. Die Corona-Impfung bedeutet aber einen Selbstschutz, keinen Fremdschutz. Wir haben keinen Impfstoff, der die Weiterverbreitung zu 99 Prozent verhindern würde. Mir ist auch wichtig: Die Ständige Impfkommission sagte, dass eine vierte Impfung für vulnerable Gruppen durchaus sinnvoll ist. Ich würde mich auch noch einmal boostern lassen. Wir wissen noch nicht, wie viele Impfungen wir brauchen werden. Die Omikron-Variante hat eine höhere Infektionsrate, aber eine geringere Intensität. Man kann davon ausgehen, dass sich das Virus weiter in diese Richtung entwickelt und wir uns in eine endemische Lage bewegen. Zudem haben wir eine stetige Entwicklung bei Medikamenten wie Paxlovid, welcher positive Effekte auf die Krankheitsverläufe verspricht. Das Medikament ist zwar nach Meinung vieler Expertinnen und Experten nicht der alleinige „Gamechanger“ gegen SARS-CoV-2, da es bei einer Infektion rechtzeitig verabreicht werden muss, jedoch sind Studien über die Wirksamkeit von Paxlovid vielversprechend.   

Unterhalten wir uns auch über weitere geeignete Profilaxe-Maßnahmen neben der Impfung. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet viel Potenzial. Im Zuge der Pandemie kam es zu einer breiteren Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen.  Nach einer Studie ist die Nutzung von Telemedizin um das 900-Fache angestiegen von 3000 Sprechstunden 2019 auf 2,7 Millionen(!) im Jahr 2020. Die Downloadzahlen für Gesundheitsapps verdoppelten sich und insbesondere jüngere Ärztinnen und Ärzte schlossen ihre hausärztlichen Praxen mehr und mehr an die Telematikinfrastruktur an. Ein gutes Zeichen, wie ich finde. Mittels “Remote Patient Monitoring” und der konsequenten Anwendung dessen, können wir beispielsweise eine digitale Betreuung von Covid-Patienten gewährleisten. Insgesamt geht es also darum, die Chancen des eHealth nutzbar zu machen und sie, zum Beispiel auch zur Früherkennung, zu nutzen, sodass Ärztinnen und Ärzte vielfältige Möglichkeiten betrachten und zum Wohle der Patientinnen und Patienten zur Anwendung bringen.   

In diesem Bereich ist viel zu tun. Und betrachten wir die nötigen Vorkehrungen für eine Impfpflicht, so müssen wir feststellen, dass der Aufwand enorm wäre. Angefangen bei einem Impfregister, dessen Ausgestaltung viele Fragen und Hürden, insbesondere im zwingend erforderlichen und hochsensiblen Datenschutzbereich, aufwirft. Die sicherzustellende Durchsetzbarkeit und etwaige Sanktionen. Die personellen Ressourcen. Soziale Fragen, wie zum Beispiel die Wirkung im Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis. Eine Entscheidung für eine Impfpflicht zieht einen ganzen Fragen- und Ressourcenkatalog nach sich, welcher in der bisherigen Situation unseres Staatsapparates fraglich erscheint. Die Ampel-Koalition wird sich dessen annehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich es für sinnvoller, wie zuvor beschrieben, andere Maßnahmen zum präventiven Gesundheitsschutz auf den Weg zu bringen.   

Natürlich lässt sich auch argumentieren, dass man schon lange an die fünfte, sechste oder gar siebte Welle oder die vierte, fünfte oder sechste Booster-Impfung denken müsse. Das oberste Ziel, die Sicherung unseres Gesundheitssystems, bleibt erhalten. Impfen ist der einzige Weg aus dieser Pandemie. Andere Maßnahmen, wie eHealth, können dabei unterstützen. Ich selbst bin geimpft und würde mir wünschen, dass es noch mehr Personen in unserem Land sind. Ich werbe für die Impfung. Dass der Bundestag schnell und effektiv handlungsfähig ist, haben wir übrigens schon mehrfach unter Beweis gestellt. Sollte sich also an der Lage etwas verändern, können wir gezielte Maßnahmen in kurzer Zeit auf den Weg bringen. Als Freier Demokrat setze ich aber nach wie vor auf die Kraft der Eigenverantwortung!